Was'n Los Frau Ábrahám?

Im mittlerweile vierten Jahr leitet Frau Prof. Ábrahám die Nachwuchsgruppe Theorie hybrider Systeme. Natürlich haben wir auch Sie nach Ihrer Berufung zu einem Interview eingeladen und können, nach einiger Verzögerung, nun auch das Ergebnis präsentieren. Viel Spaß beim Lesen! Wie immer sind die Antworten eher sinngemäß als wörtlich wiedergegeben.

Zur Person

  • Name: Ábrahám
  • Vorname: Erika
  • Lehrstuhl: Nachwuchsgruppe Theorie Hybrider Systeme (am Lehrstuhl für Informatik 2)
  • Familienstand: verheiratet, zwei Kinder

Fragen

Was’n los: Wo kommen Sie her, und was haben Sie vorher gemacht?

Ábrahám: Ich bin in Ungarn geboren und dann zum Studium nach Deutschland gekommen. Studiert habe ich in Kiel, Informatik mit Nebenfach Physik. Mein erstes Kind habe ich während des Studiums bekommen, nach einer kurzen Pause dann das zweite. Dann habe ich promoviert, offiziell in Leiden (Niederlande), aber einen Teil der Arbeit habe ich auch in Kiel und Freiburg gemacht. Die Promotion in den Niederlanden ist sehr empfehlenswert, schöner als in Deutschland. In Deutschland bekommt man nur einen Zettel und muss ansonsten alles selber organisieren. In Leiden ist die Promotion sehr traditionell und förmlich, mit Talar und Doktorhut. Zur Prüfung darf man zwei Personen mitbringen, die bei der Beantwortung der Fragen helfen dürfen. Die Ansprache der Prüfer ist in den Niederlanden durch eine strenge Zeremonie geregelt. Einen Teil der Begriffe habe ich zwischendurch vergessen und dann einfach weggelassen. Alle, die promoviert haben, unterschreiben auf einer Wand, das ist sehr imposant. Die Promotionen finden alle in dem gleichen Raum statt, den man dafür natürlich rechtzeitig buchen muss. Das wusste ich natürlich nicht und als meine Arbeit dann fertig war, betrug die Wartezeit anderthalb Jahre. Zwischendurch habe ich dann in Freiburg an was ganz anderem gearbeitet. Nach meiner Promotion habe ich hier an der RWTH eine Weile als Postdoc gearbeitet. Mit zwei Kindern war mir eine eigene Professur zu stressig, daher habe ich eine Stelle am Forschungszentrum Jülich angenommen. Mit der Arbeit dort war ich aber nicht so glücklich, daher habe ich mich auf die Suche nach einer Professur an einer Uni gemacht. Seit dem bin zwar gestresst, aber glücklich.

Was’n los: Warum haben Sie sich für Aachen entschieden?

Ábrahám: Ich wäre auch woanders hingegangen. Das war eher Zufall und Glück, da ich eh schon hier gewohnt habe.

Was’n los: Wie gefällt es Ihnen hier?

Ábrahám: Sehr gut. Die Informatik ist sehr harmonisch, es herrscht eine positive Stimmung. Es gibt zwar Meinungsverschiedenheiten, die sich aber immer lösen lassen, es kommt nicht zu Zankereien. Insgesamt hat man hier eine sehr kreative Arbeitsumgebung. Die Ausbildung hier ist sehr gut, die Studierenden haben sehr solide Grundlagen, somit machen die Vorlesungen auch richtig Spaß. Alle sind interessiert am Denken und kniffligen Fragen, die Studierenden wachen in den Vorlesungen richtig auf. Forschung und Lehre macht viel Spaß, es steckt aber auch viel Zeit in der Organisation. Das Wetter war mir schon aus Kiel bekannt. Die Umgebung hier ist nicht ganz so toll. In Kiel gibt es viel Wasser und Segelboote und Freiburg ist die schönste Ecke Deutschlands mit Bergen und Wasser. Hier gibt es nur flaches Land und Felder statt schöne Natur vor der Haustür. Die Zeit um in die Eifel zu fahren, fehlt mir leider.

Was’n los: Wie wurden Sie im Kreis der Professorinnen und Professoren aufgenommen?

Ábrahám: Sehr nett, ich fühle mich sehr wohl. Ich werde als vollwertiges Mitglied behandelt, obwohl ich nur Juniorprofessorin bin. Ich werde gut unterstützt und fühle mit gut aufgehoben. Die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv. Von außen gibt es einen Druck, gut zu sein. Dieses muss man lenken, um dadurch besser zu werden. Insgesamt sind in der Fachgruppe alle daran interessiert, gemeinsam gute Forschung und Lehre zu machen.

Was’n los: Wie schwierig ist es, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?

Ábrahám: Ich hatte viel Glück. Innerhalb von einem halben Jahr habe ich alle meine Stellen besetzt bekommen. Ich konnte mich dabei aus dem Fundus von Herrn Thomas bedienen sowie einen Mitarbeiter aus China gewinnen. Ich habe ein gutes Team mit netten Leuten. Aber insgesamt ist es schwierig, gute Mitarbeiter und HiWis zu finden. Viele arbeiten in der Industrie, um mehr Geld zu verdienen oder machen sich selbstständig. Ich habe meinen Stellen immer so breit wie möglich ausgeschrieben. Es gab immer viele Bewerbungen, aber nur eine überzeugende. Es waren auch immer sehr viele schlechte Bewerbungen dabei. HiWi-Jobs bieten gutes Geld und haben was mit dem Studium zu tun. Aktuell suche ich einen HiWi für die Vorlesungsbegleitung. Theorie schreckt häufig ab, aber wir machen nicht nur Theorie. Wir kooperieren z.B. mit der Regelungstechnik im Bereich der Optimierung des Verbrauchs von Autos. Die Ergebnisse aus der Theorie sind auch in der Praxis relevant. Die theoretische Informatik ist quasi die Schnittstelle zwischen Mathematik und Ingenieurwissenschaften.

Was’n los: Wie lange haben Sie studiert?

Ábrahám: 13 Semester, aber zwischendurch habe ich ein Kind bekommen. Früher war das Studium etwas flexibler und dadurch, dass es keine Studiengebühren gab, haben viele recht lange studiert. Heute legt man mehr Wert auf ein schnelles Studium, aber man sollte nicht vergessen, dass die Ausbildung nicht für die Erlangung eines Titels sondern für das Lernen gedacht ist. Das Studium sollte intensiv sein, aber jeder sollte die Zeit haben, die er benötigt. Man wird nur dann gut, wenn man Zeit hat, gut zu werden.

Was’n los: Worin unterscheiden sich das Studium / die Studierenden heute und zu der Zeit, als Sie studiert haben?

Ábrahám: Die Studierenden haben sich geändert. Sie werden jünger und können nicht immer gut mit Freiheiten umgehen. Durch das Abitur mit zwölf Jahren werden wir in Zukunft auch jugendliche Studierende haben. Am Anfang muss man durch ein schulisches System ein Scheitern verhindern. Es ist natürlich viel einfacher, auf Partys statt zu Vorlesungen zu gehen. Man sollte das eigentliche Ziel, Wissen zu erlangen, nicht aus den Ausgen verlieren.

Was’n los: Was halten Sie denn von der Ausbildung in der Schule?

Ábrahám: Die Lehrpläne für den Informatikunterricht sind eigentlich gut, das Problem ist eher, dass es zu wenig ausgebildete Informatiklehrer gibt. Die Mathematikausbildung ist nicht immer optimal, das ist in Ungarn besser. Wobei das auch eine Wohlstandsfrage ist. In Ungarn macht man das gut, wofür man wenig Geld braucht. Dort vollzieht man auch in der Grundschule (ab der 5. Klasse) schon Beweise nach. Auch in Baden-Württemberg läuft viele anders. Mein Sohn beherrschte schon das kleine Einmaleins, als er eingeschult wurde. Dort wird man dann durch kleine Klassen und Sonderlernpläne individuell gefördert. In Nordrhein-Westfalen werden stattdessen stumpf vier Jahre lang die Grundrechenarten durchgenommen. Insgesamt wird die Mathematik nicht spannend genug gestaltet. Meine Kinder sind zwar begabt, lernen aber in der Schule nicht, logisch zu denken. Das führt dazu, dass einfach nur Algorithmen ausgeführt werden, ohne die Grundlagen dahinter zu verstehen. Das führt dann zu so irrsinnigen Annahme, dass Geraden immer durch den Nullpunkt laufen. Überall in Europa ist eine vernünftige Mathematikausbildung in zwölf Jahren möglich. Nur hier hat sich dann wieder jemand überlegt, dass man halt jetzt nur noch den Sinus ohne den Cosinus lernt. Langfristig muss man vielleicht darüber nachdenken, das fehlende Mathematikwissen in einem Vorsemester zu vermitteln. Um das Interesse der Schülerinnen und Schüler an der Informatik zu wecken, werden wir in zehn kurzen, 10 – 15-minütigen, Videos darstellen, was Informatik wirklich ist. Somit wollen wir die Leute informieren und das Thema Informatik für die Oberstufe ergreifbar machen. Im August werden wir uns mit dem Thema “Verifikation” an der Schüler-Uni beteiligen.

Was’n los: Was sind Ihre Lehr- und Forschungsgebiete? Wie ordnen sich diese in das bisherige Angebot ein?

Ábrahám: Grundsätzlich arbeite ich, wie vorhin schon erwähnt, in einer Schnittstelle zwischen Informatik und Mathematik, was dann Anwendung in den Ingenieurwissenschaften findet. Daher verbinden auch meine Vorlesungen und Seminare Themen innerhalb der Informatik und darüberhinaus. Die Vorlesung “Erfüllbarkeitsüberprüfung” richtet sich an alle Studierenden. Um die Frage, ob man in einen schlechten Zustand kommen kann, beantworten zu können, baut man sich entsprechende Formeln und testet diese auf Erfüllbarkeit. Wir gehen bei der Vorlesung nicht tief in die mathematischen Grundlagen sondern behandeln das Thema breiter und anwendungsorientiert. Bei der zweiten Vorlesung, “Hybride Systeme”, geht es um die Modellierung von speziellen Systemen und deren Verifikation. Da es ein spezielleres Thema ist, ist die Zielgruppe kleiner und richtet sich auch eher an Master- und Diplomstudierende. Auch sind hier die Überschneidungen mit Mathematik und Ingenieurwissenschaften besonders groß.

Was’n los: Wie laufen denn die ersten Vorlesungen?

Ábrahám: Im ersten Semester ist das alles nicht ganz so rund gelaufen. Ich bin im Oktober hier hin gekommen und habe dann quasi direkt mit der Vorlesung angefangen. Daher war die Vorlesung auch nicht im Wahlpflichtfachkatalog für den Bachelor. Auch musste der Termin kurzfristig noch verschoben werden. Trotzdem sind am Anfang acht Leute gekommen, darunter aber auch einige aus dem SSE-Studiengang. Am Ende des Semesters waren dann noch drei übrig. Das war dann natürlich eine sehr schöne, familiäre Stimmung. Auch konnte ich die Vorlesung so sehr gut auf die Interessen der Studierenden zuschneiden. Jetzt, im zweiten Semester kamen erneut acht Personen, darunter drei Promovierende. Das ist natürlich wieder eine kleine Gruppe, aber die, die da sind, sind sehr interessiert und das macht Spaß. Es ist eine Herausforderung, wenn die Studierenden besonders gut sind und Fragen gestellt werden, die man nicht sofort beantworten kann.

Was’n los: Halten Sie Vorlesungen lieber auf Deutsch oder auf Englisch?

Ábrahám: Lieber auf Deutsch, aber es ist für mich auch kein Problem, wenn jemand Englisch benötigt. Im Englischen fällt mir der Ausdruck nicht ganz so einfach und die Witze kommen nicht so gut rüber. Ich denke, für Deutsche ist es auch angenehmer, eine Vorlesung auf Deutsch zu hören. Meine Evaluierung war auch sehr gut, bis auf Englisch, da hatte ich “nur” ein gut.

Was’n los: Was erwarten Sie von den Studierenden heutzutage? Was fehlt ihnen?

Ábrahám: Ich erwarte Begeisterung für das Fach, schließlich sind motivierte Studierende die Grundvorraussetzung für gute Lehre. Beim Beantworten von Fragen in den Vorlesungen gibt es am Anfang des Semester immer erstmal großes Schweigen, das legt sich dann erst gegen Ende des Semesters. Meistens sind die Fragen auch zu einfach oder zu schwer. Viele sind auch von der Schule ermüdet. Wir stellen die Fragen aber ja nicht um zu quälen, sondern für den Lernprozess. Aktive Teilnahme ist notwendig für das Verständnis. Es braucht halt nur ein bisschen Anlaufzeit, bis die ersten Antworten kommen. Eigentlich bin ich bisher auch ganz zufrieden. Bisher waren fast nur Diplomstudierende in meinen Vorlesungen, die über sehr solide Grundlagen verfügen. Da macht die Arbeit richtig Spaß.

Was’n los: Was halten Sie von der Entwicklung der Anfängerzahlen?

Ábrahám: Meiner Meinung nach kommt es mehr auf die Qualität statt die Quantität an. Daher sagt die Anfängerquote ohne die Abbrecherquote wenig aus. Was ich schade finde, ist die geringe Frauenquote. Hier müssen wir schon in den Gymnasien ansetzen und den Mädchen zeigen, dass sie bei uns Willkommen sind. Viel zu häufig wird noch gesellschaftlich vorgelebt, dass ein Informatikstudium nichts für sie sei.

Was’n los: Hatten Sie viel Freizeit während des Studiums?

Ábrahám: Ich war ohne meine Eltern hier in Deutschland und musste mir mein Studium selber finanzieren. Also musste ich arbeiten, unter anderem als HiWi, Putzfrau und Aupair. Viel Freizeit hatte ich daher nicht. Auch habe ich immer sehr verbissen an den zeitaufwändigen Matheübungen gearbeitet, häufig bis spät in die Nacht. Nach dem Vordiplom habe ich mein erstes Kind bekommen, da war das Weiterarbeiten sehr schwer und die Freizeit wurde noch weniger.

Was’n los: Welche Vorlesung würden Sie gerne mal halten?

Ábrahám: Ich würde mich gerne mal im theoretischen Bereich des Grundstudiums austoben.

Was’n los: Was halten Sie von Bachelor/Master?

Ábrahám: Was sagt man denn dazu? Es gibt da unterschiedliche Aspekte, da ist die Frage, was man will. Wenn man möglichst viele Leute für die Industrie ausbilden will, ist das System in Ordnung. Will man hingegen wissenschaftlichen Nachwuchs für die Forschung und die Führungsrolle Deutschlands ausbilden, sollte man das System nochmal überdenken. Es ist halt sehr schwierig, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bekommen.

Was’n los: Wo sehen Sie die Chancen/Gefahren?

Ábrahám: Ein Vorteil ist, dass Leute, die das “Falsche” studieren sich nach dem Bachelor umorientieren können. Aber wir können generell am System jetzt nicht mehr viel ändern, sondern sollten einfach das Beste daraus machen.

Was’n los: Was halten Sie von der Verwendung der Studiengebühren in der Informatik?

Ábrahám: Ich glaube, das ist vernünftig geregelt und wird tatsächlich für die Lehre verwendet. Da ich selber nicht direkt involviert bin, bekomme ich aber auch nicht allzu viel mit.

Was’n los: Was für Erfahrungen haben Sie mit Fachschaften (sowohl als Professorin als auch als Studentin)?

Ábrahám: Während meines Studiums hatte ich wenig Zeit und habe daher auch wenig Kontakt zur Fachschaft gehabt. Das beschränkte sich eher auf das Kopieren von Prüfungen. Als Professorin halte ich Fachschaften für ein wichtiges Konzept, Sie haben hier die Möglichkeit, Entwicklungen und Planungen zu beeinflußen. Leider wissen viele Studierende nicht, was die Fachschaft macht. Traurig finde ich das geringe Engagement in der Breite, denn mit der Masse kann man viel erreichen. Es ist wichtig, dass es eine Repräsentation der Studierenden gibt. Die Einbindung der Fachschaft wird sehr geschätzt.

Was’n los: Waren Sie selber mal in der studentischen Selbstverwaltung aktiv?

Ábrahám: Nein, dafür fehlte mir leider die Zeit. Aber immerhin habe ich Prüfungsprotokolle eingeschickt.

Vervollständigen Sie bitte die folgenden Sätze:

Was’n los: Wenn ich eine Entscheidung als Landesbildungsministerin treffen dürfte, dann würde ich …

Ábrahám: … der Mathematik eine höhere Priorität geben.

Was’n los: Als Rektorin der RWTH würde ich …

Ábrahám: Da muss ich erstmal nachdenken. Das ist schwierig, dass Rektorat macht bereits viele Sachen sehr toll. Was ich anders machen würde, wäre die strikte Wirtschaftsorientierung. Alles soll immer schneller und billiger gehen. Orientierung an geistiger Leistung wäre besser. Methoden aus der Wirtschaft passen nicht immer zu Universitäten.

Was’n los: Wenn ich eine Superheldin wäre, dann könnte ich …

Ábrahám: … alles.

Was’n los: Neben der Forschung interessiere ich mich für …

Ábrahám: … meine Kinder.

Was’n los: Ich wollte schon immer mal …

Ábrahám: … ausschlafen.

Was’n los: Wir danken für das Gespräch.