Was'n Los Herr Stahl?

Vor einiger Zeit kam Herr Stahl als neuer Professor in der Physik zu uns an die RWTH. Vor kurzem besuchte Herr Stahl die Fachschaft wo wir ihn interviewten.

Zur Person:

  • Name: Stahl
  • Vorname: Achim
  • Lehrstuhl: III. Physikalisches Institut B
  • Familienstand: verheiratet, 2 Kinder

Fragen

Was’n los: Wo kommen Sie her, und was haben Sie vorher gemacht?

Stahl: Bevor ich nach Aachen gekommen bin, habe ich am DESY in Berlin als Wissenschaftlicher Mitarbeiter eine Arbeitsgruppe des TESLA Experimentes geleitet. Nebenbei habe ich an den Universitäten Potsdam und Cottbus als Privatdozent Vorlesungen gehalten. Gebürtig komme ich aus der Gegend von Heilbronn, seitdem hat es mich über viele Stationen bis nach Aachen gebracht.

Was’n los: Warum haben Sie sich für Aachen entschieden?

Stahl: Ich wollte mehr mit dem Studentenbetrieb zu tun haben, daher wollte ich die Arbeitsgruppe verlassen. Darüberhinaus war ich am Institut nicht glücklich. Ich habe mich damals in Aachen und Dresden beworben, aus Aachen kam dann der Ruf, aus Dresden wäre er eventuell gekommen. Die Ausstattung der Institute in Aachen war dann aber ein gutes Argument hierher zu kommen.

Was’n los: Wie gefällt es Ihnen in Aachen?

Herr Stahl: Ich habe die Entscheidung nach Aachen zu kommen zu keinem Zeitpunkt bereut. Nachdem ich nun auch schon so viele Stationen in meinem Leben hatte, werde ich wohl jetzt auch erstmal für längere Zeit hier bleiben, das ständige Umziehen muss nicht mehr sein.

Was’n los: Wie wurden Sie im Kreis der Professoren aufgenommen?

Stahl: Sehr gut und freundschaftlich.

Was’n los: Wie schwierig ist es, wissenschaftliche Mitarbeiter zu finden?

Stahl: Die Frage muss ich nach Qualifikationen differenziert beantworten. Von studentischer Seite aus würde ich mir mehr Diplomarbeiten wünschen, da melden sich bisher leider nicht viele Studenten. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich bisher nur die Grundvorlesungen (Ex I, Ex II, Ex IV, Anm. d. Red.) und eine Spezialveranstaltung gelesen habe. Ich denke, das wird besser werden, wenn ich einmal die Vertiefung experimentelle Teilchenphysik gelesen habe. Im Bereich der Doktoranden kommt auch zu wenig aus dem eigenen Nachwuchs, die Stellen werden daher vielfach mit Bewerbern von außerhalb gefüllt. Dann ist es aber auch kein Problem die Stellen zu füllen. Im Bereich der Postdocs gibt es lange nicht genug Stellen für die Anzahl Bewerber, da fällt die Wahl teilweise schon schwer.

Was’n los: Was sind Ihre Lehr- und Forschungsgebiete? Wie ordnen sich diese in das bisherige Angebot ein?

Stahl: Mein Spezialgebiet ist die experimentelle Teilchenphysik, wo meine Arbeitsgruppe an Experimenten an den großen Teilchenbeschleunigern beteiligt ist. Desweiteren steige ich langsam in die Astroteilchenphysik ein und interessiere mich besonders für Spin-Offs von der Teilchenphysik.

Was’n los: Worin unterscheiden sich das Studium/die Studierenden heute und zu der Zeit, als Sie studiert haben?

Stahl: Das Studium ist heute wesentlich verschulter als früher. Die Umstellung auf Bachelor/Master hat diese Problematik nochmals deutlich verschärft, aber auch im Diplomstudiengang sind die Freiheiten zuvor immer weiter eingeschränkt worden. Zu meiner Zeit gab es keinen Lehrplan, der sagte, in welchem Semester man welche Veranstaltung hören sollte, man musste sich die Reihenfolge und Aufteilung selber organisieren. Dies untergräbt in meinen Augen eine der wesentlichen, gefragten Fähigkeiten des Physikers, das eigene Denken und eindenken in komplexe Sachverhalte. Diese Fähigkeiten wurden in dem flexiblen Lernverhalten früher deutlich mehr geschult. Darüberhinaus ist der Arbeitsaufwand des Studiums zu groß geworden, um sich noch für andere Gebiete engagieren zu können. Dies liegt auch daran, das innerhalb einer Veranstaltung die Anforderungen sehr groß geworden sind. Es fehlen in meinen Augen auch ein wenig Regenerationsphasen, viele der Vorlesungsfreien Zeiten sind auch sehr voll und keinesfalls als ,,Semesterferien“ zu bezeichnen. Dies war früher deutlich angenehmer, bis auf ein Praktikum war für mich die Vorlesungsfreie Zeit Urlaub. Ein Mittelweg aus den beiden Beanspruchungen wäre wohl angemessen.

Was’n los: Wie sind Ihre ersten Vorlesungen gelaufen?

Stahl: Nicht anders als in Potsdam oder Cottbus. Ich habe die Experimentalphysik IV für Lehrämtler gelesen, die Veranstaltung hatte in etwa die Größe wie auch in Cottbus oder Potsdam. Ich würde mir wünschen, bei der Vorlesung mehr Experimente zeigen zu können, aber dank der Mittel aus Studienbeiträgen wird die Sammlung für die Ex IV und V derzeit ja aufgestockt.

Was’n los: Halten Sie die Vorlesungen lieber auf deutsch oder auf englisch?

Stahl: Es wäre für mich kein Problem die Vorlesungen auf Englisch zu halten, allerdings halte ich das bei den großen Veranstaltungen nicht für sinnvoll. Ich habe allerdings die letzten beiden Semester je eine Übungsgruppe auf Englisch halten lassen. In Spezialveranstaltungen werde ich es den Studenten in Zukunft evtl. vorschlagen, aber konkrete Gedanken über die Fragestellung habe ich mir bisher nicht gemacht.

Was’n los: Was erwarten Sie von den Studierenden heutzutage? Was fehlt ihnen?

Stahl: Eines der Hauptprobleme ist die große Spanne der individuellen Fähigkeiten. Die Leistungsdifferenz zwischen den sehr guten und den schwachen Studenten ist enorm, dies macht es teilweise schwierig alle Studenten anzusprechen. Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Überforderung der weniger starken und Unterforderung der besonders guten. Woran die Studenten aber was ändern könnten, wäre die Eigeninitiative. Ich würde mir wünschen, dass sie mehr aus den schulischen Strukturen ausbrechen, interessanten Fragen selbstständig nachgehen und so einen individuelleren Weg gehen. Diese Kritik ist allerdings weder Aachen noch Bachelor spezifisch, die Tendenz zeichnet sich schon lange ab. Evtl. liegt es an den Physiklehrern in den Schulen, dass sie es nicht schaffen eine nötige Begeisterung zu wecken. Das Engagement könnte von der Seite auch größer sein, beispielsweise gibt es Lehrerfortbildungen am CERN und es fällt uns schwer, die zwei oder drei Plätze die Deutschland hat mit Lehrern zu füllen.

Was’n los: Wie lange haben Sie studiert?

Stahl: Ich habe 14 Semester studiert. Dabei muss ich zugeben, dass ich die ersten zwei Semester privat vertändelt habe und erst im dritten Semester wirklich mit dem Studium begonnen habe. Im Hauptstudium habe ich dann mehr gemacht als notwendig und daher länger gebraucht.

Was’n los: Hatten Sie viel Freizeit während des Studiums?

Stahl: Bis zur Diplomarbeit konnte ich mich nicht über zu wenig Freizeit beschweren. Es gab zwar immer wieder Phasen, wo intensiver gearbeitet und die Freizeit weniger wurde, darauf folgten dann aber auch entspanntere Phasen. Die Diplomarbeit, die ein Jahr gedauert hat, war allerdings viel Aufwand und ließ mir nur wenig Freizeit.

Was’n los: Was halten Sie von Bachelor/Master? Wo sehen Sie die Chancen/Gefahren?

Stahl: Das Konzept ist nicht grundsätzlich schlecht. Ich halte es für sehr sinnvoll, den Studenten, die das Diplom nicht schaffen würden, dies aber nicht sofort merken, einen Zwischenabschluss zu ermöglichen. Das dieser allerdings erst nach 3 und nicht wie das Vordiplom nach 2 Jahren kommt, ist eher ungünstig. Die Verschulung ist auf jeden Fall ein Nachteil, da sie Nebenqualifikationen verhindert. Damit einher geht ja auch das ständige Abfragen von Einzelleistungen, auf die sich die Studenten dann gezielt vorbereiten müssen. Dies verhindert ein Lernen in Zusammenhängen, wie es für die beiden großen Diplomprüfungen nötig war. Es ist auch unverständlich, dass jede Arbeitsstunde im Studium gleich viel Wert sein soll, wenn man eine mündliche Prüfung über mehrere Fächer einplant, aber nur 4 Wochen Vorbereitung rechnen kann, ist diese kaum mehr wert als eine einzelne Vorlesung. Dies halte ich nicht für gerechtfertigt. Darüberhinaus gibt es noch Diskussionen mit den Theoretikern, die ihre Schwelle zum Bestehen sehr hoch ansetzen. Da jede Einzelnote im Bachelor zählt, ist dort in meinen Augen ein Umdenken erforderlich.

Was’n los: Was halten Sie von Studiengebühren?

Stahl: Zunächst muss ich sagen, dass wir die Gelder sehr gut brauchen können. Und wir könnten auch noch deutlich mehr Mittel brauchen. Aber in meinen Augen darf es nicht die Aufgabe der Studenten sein, für diese Mittel zu sorgen, dies ist eindeutig Aufgabe des Landes und in meinen Augen ein Armutszeugnis für unsere Politiker. Die Argumentation, dass die höheren Einkommen, die man später erzielen kann, dies rechtfertigen würden, ist Augenwischerei. Man steigt im Verhältnis zu einer Ausbildung 8 bis 10 Jahre später in den Beruf ein und muss in der Zeit von sehr wenig Geld leben. Ein Lehrling verdient hingegen schon im ersten Ausbildungsjahr Geld und kann sich beispielsweise schon ein eigenes Auto finanzieren. Diese ,,Rückstände“ aufzuholen dauert viele Jahre und wird, wenn man die Studiengebühren dann noch miteinrechnet, fast unmöglich. Außerdem muss man sich fragen, ob es nicht gerecht ist, dass hohe geistige Leistungen nicht auch entsprechend honoriert werden sollen.

Was’n los: Was für Erfahrungen haben Sie mit Fachschaften (sowohl aus Professoren, als auch aus Studentischer Sicht!)?

Stahl: Der Einstand war ja ein kleiner Clash, der mittlerweile ausgeräumt ist (ein Blick in ältere Geier lohnt sich, Anm. d. Red.). Im Großen und Ganzen sind die Erfahrungen sehr gut, die Zusammenarbeit bisher funktioniert sehr gut, ist aber ausbaubar. Die Art und Weise, wie über die Verwendung der Studienbeiträge diskutiert wurde, war beispielsweise vorbildhaft und ist es Wert wiederholt zu werden. Aber es gibt noch einige Dinge, die die Fachschaft tun könnte, die ich für sehr sinnvoll erachten würde. Beispielsweise kenne ich es aus meiner Zeit als Privatdozent in Bonn, dass die Evaluierung der Lehrveranstaltungen von den Fachschaften durchgeführt und anschließend in einem Heft veröffentlicht wurde. Dies war ein viel stärkeres Druckmittel als unser Zentrales Evaluierungssystem, dessen Ergebnisse nichtmal veröffentlicht werden müssen. Es gibt zwar eine Selbstverpflichtung unter den Professoren, aber einige Kollegen schießen da schonmal ein wenig quer. Und für mich ist die Evaluierung bis auf die Kommentare ziemlich wertlos, wenn ich eine Note 3.5 bekomme, habe ich keinerlei Vergleichswerte mit Kollegen und es ist unmöglich diese Zahl einzuorden.

Was’n los: Waren Sie mal in der stud. Selbstverwaltung aktiv?

Stahl: Nein. Mein soziales Netz bestand aus dem Studentenwohnheim, wo ich auch in der Verwaltung aktiv war. Zu Schulzeiten war ich in der Schülervertretung aktiv, aber im Studium hatte ich wenig mit meinen Komilitonen zu tun.

Vervollständigen Sie bitte die folgenden Sätze:

Was’n los: Wenn ich eine Entscheidung als Landesbildungsminister treffen dürfte, dann würde ich…

Stahl: …Verwaltungshürden abbauen

Was’n los: Als Rektor der RWTH würde ich…

Stahl: …Fachgruppen und Fakultäten ins Zentrum rücken

Was’n los: Neben der Forschung interessiere ich mich für…

Stahl: …Sport, Literatur und insbesondere meinen Sohn und mein in wenigen Wochen kommendes zweites Kind.

Was’n los: Wenn man mir jetzt die Möglichkeit geben würde…

Stahl: …würde ich gerne für einige Zeit nach Südamerika fahren. Meine letzte längere Urlaubsreise führte auf die Galapagosinseln und sollte von dort aus weiter nach Equador, aus beruflichen Gründen mussten meine Frau und ich dies aber absagen. Dies würde ich gerne nachholen.

Was’n los: wir danken für das Gespräch.